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Angst vor Gemüse, Angst um Fisch.

Meer und Meeresgetier lag mir schon immer Herzen. Woher das kommt, kann ich nicht genau sagen. Ein bißchen sind es sicher die umweltbewegten 80er Jahre, mit all den Greenpeace-Stickern und Malwettbewerben zum Waldsterben. Ich nannte etliche „Wale und Delfine“ und „Wunder der Tiefsee“-Sachbücher mein eigen und zierte die Wände mit Walpostern. Und wollte Meeresbiologin werden, aber vermutlich auch, weil das irgendwie exotisch klang. Wer kennt schon eine Meeresbiologin? In den letzten Jahren ist das zurückgekommen (das mit den Meerestieren, nicht die Meeresbiologie – schade eigentlich). Unter anderem gibt es in meinem Umfeld immer mehr Vegetarier, von denen manche nur auf Fleisch verzichten, Fisch aber gerne essen. Find ich ein bißchen unsinnig, zumindest, wenn man ökologische Argumente anführt. Ich las vom Verschwinden des Blauflossenthunfisch, von Schleppnetzen und Langleinen und Beifang und dem ganzen Müll. Und vor allem stellte ich fest, dass es eigentlich niemanden so richtig interessiert. Vielleicht habe ich deswegen ein Herz für Fische: sie kommen mir so unbeachtet vor. Die Außenseiter der als essbar erklärten Tierwelt.

Nun grassiert der böse Keim, und die Menschen hören auf, Gemüse zu essen. Nicht nur die inkriminierten Gurken, Tomaten und Blattsalate und seit neuestem Sprossen (wobei ich den Durchschnittssprossenkonsum ja für überschaubar halte), sondern – so hat es den Anschein – auch so ziemlich alles andere, was irgendwie farbig aus der Erde kommt: Broccoli, Karotten, Erdbeeren, Äpfel… Die Presse rechnet uns seit Tagen den wirtschaftlichen Schaden vor und tut, was sie am liebsten macht: Schuldige suchen, sowohl in den Reihen der Sachverständigen und Politiker_innen als auch in den Reihen von Gemüse und Obst. Als Freizeit-Hypochonder hab ich für die Panik der Leute ziemlich viel Verständnis. Auch für den Unmut von Bauern, Händlern, Restaurantbesitzern, die unvorhergesehene Gewinneinbußen zu beklagen haben. Und das vermutlich: für nix.

Fishspotting

Aber: Heute ist der Welttag des Ozeans. WWF und Greenpeace beschreiben eindrucksvoll, wie schlecht es um die Meere und Fischbestände steht. Und führen auch die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen aus, die das haben kann. Eigentlich genug Stoff für ein paar Panikszenarieren. Trotzdem essen die Leute gerade keinerlei Gemüse mehr, nicht etwa Fisch. Wie gesagt, verdenken kann ich es ihnen nicht. Die Bedrohung der Meere ist vermutlich so schlecht zu fassen wie deren Größe vorstellbar ist. Und EHEC ist, auch dank der freundlichen Unterstützung der Qualitätsmedien, so präsent wie es nur geht (dazu sehr treffend mein heutiger Lieblingstweet). Da hat Verbraucher_in natürlich erstmal um die eigene, unmittelbare Haut Angst.

Allerdings, wenn das Gemüse dann bald wieder wohlwollend verzehrt wird (die Spanne für solche Reaktionen ist ja überschaubar), vielleicht mag sich ja dann jemand über die Fische Gedanken machen, wenn schon nicht am vorgesehenen Gedenktag*, dessen Medienecho verhalten blieb. Journalisten zum Beispiel. Wie gesagt: Eine ordentlich panische Ausrufezeichen-Überschrift gibt das Thema allemal her!

*Ähnlich untergegangen wie der Tag ist eine Pressemeldung von McDonalds Österreich: Sie werden ab Oktober 2011 ihren Gästen im Fischburger künftig nur noch MSC-zertifiziertes Filet vorsetzen. Das ist ein guter Schritt, vor allem, weil es McDonalds ist. Leider ist das MSC-Siegel aber in seiner Wirksamkeit nicht unumstritten und unter Feigenblatt-Verdacht. Tja. Wie das immer so ist.